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Alan P. Stern

Die Zukunft liegt näher, als wir glauben!

Aktualisiert: vor 4 Tagen


Die politische Entwicklung in vielen Ländern der Welt ist sehr beunruhigend. Sie ist kein Zufall, sondern das Ergebnis unseres Denkens und unserer Lebensweise. Diese wurden von der zivilisatorischen Entwicklung der letzten 250 Jahre geformt. Der Motor dahinter ist die Wirtschaft. Sie ist der Schlüssel für unsere Zukunft, wenn wir eine haben wollen.


Wirtschaft muss in Gleichgewicht mit der Natur gebracht werden. Ständiges Wachstum zerstört die natürlichen Ressourcen


Wenn wir die Bilanz unserer zivilisatorischen Anstrengung seit der industriellen Revolution aufstellen, steht ganz oben auf der Aktivseite der Wohlstand. Auf der anderen Seite findet man zwei schwerwiegende Verbindlichkeiten: die Zerstörung der Natur und die wachsenden gesellschaftlichen Spannungen. Es wird uns immer deutlicher, dass diese Verbindlichkeiten so nicht mehr tragbar sind. Wir müssen an dieser Bilanz etwas grundsätzlich verändern.


Ist die Bilanz unserer wirtschaftlichen Entwicklung wirklich positiv?

Die Ursache für beides, den Wohlstand und die Zerstörung, ist das wirtschaftliche Wachstum – weil auch der technologische Fortschritt von der Wirtschaft angetrieben wird. Wie die Wirtschaft funktioniert, bestimmt damit maßgeblich darüber, wie sich unser Leben und unser Denken entwickeln. Ist aber ein gänzlich anderes Wirtschaftssystem denkbar? Sicher. Ist es auch praktisch durchführbar? Ja, das ist es. Es wäre zwar eine Herkulesaufgabe, aber wenn man keine Wahl hat, stellt man sich auch den schwierigsten Aufgaben.

Haben wir wirklich keine Wahl?



Grenzen des Wachstums


Kenneth Boulding, ein großer US-amerikanischer Ökonom, hat uns schon vor langer Zeit auf das Grundproblem hingewiesen, als er sagte: „Wer glaubt, in einer endlichen Welt könne die Wirtschaft unendlich wachsen, ist entweder ein Idiot oder ein Ökonom.“ Wir haben in der Vergangenheit die Wirtschaft als ein System für sich betrachtet und die Natur und die Gesellschaft als sein Umfeld. Das war ein Denkfehler. Ohne natürliche Ressourcen könnten Unternehmen nichts produzieren. Genauso wenig kann Wirtschaft ohne Bildung, Wissenschaft, Familien, Moral, Infrastruktur, Gesundheitsvorsorge, also ohne die gesellschaftlichen und kulturellen Ressourcen, existieren.


Dieser Unterschied in der Betrachtungsweise ist entscheidend. Menschen optimieren ihre Entscheidungen und Aktivitäten in einem bestimmten Rahmen. Was sie als außerhalb des Bereiches sehen, für den sie sich verantwortlich fühlen, bleibt unberücksichtigt. Für die Wirtschaft seit 250 Jahren bedeutet diese Optimierung Wachstum, Gewinnmaximierung, Kapitalvermehrung. Der Schutz der natürlichen Ressourcen beispielsweise ist deswegen kein Ziel der Anstrengungen in den Unternehmen. Im Gegenteil: Die Natur sind Kosten und Kosten gilt es zu minimieren. Alles an Umweltschutz, was wir in der Wirtschaft erreicht haben, ist das Resultat der Intervention von außen, vor allem vom Staat. Diese Intervention ist notwendig, weil die Natur nicht als ein Teil des Systems Wirtschaft gesehen wird. Wenn die Unternehmen ihren Output optimieren, sind der Umweltschutz oder das Wohlergehen der Gesellschaft kein Teil des Spielfelds. Nur wenn die Gesetze und Auflagen es erzwingen, gehören sie für die Entscheider in den Unternehmen ins Bild.


Es gibt Alternativen


Wir müssen dringend über die Grundlagen unserer Wirtschaft nachdenken. Dabei kommen wir nicht drum herum, auch unsere Lebensweise infrage zu stellen. Sie ist das Ergebnis der wachsenden Produktion der Wirtschaft und des technologischen Fortschritts, die wir gedankenlos in unsere Taschen einstecken. Wir leben immer bequemer und unterhaltsamer. Leben wir aber gesünder, besser, glücklicher? In welcher Welt wollen wir eigentlich in 20 oder 50 Jahren leben?


Erst wenn wir unsere Lebensweise infrage stellen, wird die Zerstörung der Natur aufhören.

Die Wirtschaft ist ein System, das auf Regeln basiert. Wir betrachten die heute geltenden Regeln als zwingend, fast wie Naturgesetze. Das sind sie aber nicht. Sie könnten auch ganz anderes gestaltet werden. Dafür gibt es in der Systemwissenschaft und in der ökonomischen Praxis eine Methode, die solche Umgestaltung geplant und in Schritten ermöglicht. Die Regeln kommen bei dieser Methode allerdings erst im zweiten Schritt. Zuerst muss man sich entscheiden, welches Ziel das System in seiner Gänze verfolgen soll. Und das wäre die Aufgabe der Gesellschaft, nicht der Wirtschaft. Wir müssen entscheiden, ob wir in der Zukunft mit der intakten Natur zusammenleben wollen oder ob wir zulassen, dass die Wirtschaft unendlich weiterwächst.


Es gibt übrigens etwas, was wir bei der Neugestaltung unserer Wirtschaft von der Natur lernen können. Das ökonomische System ist extrem komplex und mit allen anderen Bereichen unseres Lebens verflochten. Eine Neugestaltung wird also sehr schwierig sein. Man könnte aber in der Wirtschaft einen kleinen neuen Bereich schaffen, der andere Ziele verfolgt und nach anderen Regeln handelt, und diese Regeln so gestalten, dass er auf natürliche Weise wächst. Es ist wie mit einer kleinen Eichel, die mit der Zeit zu einem großen Baum heranwächst.



Wenn wir erwarten, dass die Wirtschaft sich von alleine so verändert, dass sie zum Wohl der Menschen arbeitet, haben wir nicht verstanden, wie soziale Systeme funktionieren. Auch wenn wir alles auf die eine Karte der staatlichen Regulierung und der politischen Parteien setzen, machen wir uns etwas vor. Diese handeln genauso im Rahmen der Regeln unseres heutigen Systems. Sie werden diese Regeln nie in Frage stellen – damit würden sie sich selbst schaden.


Die grundsätzlichen Fragen müssen wir stellen, die Bürger: Sie und ich und die Menschen, mit denen wir arbeiten, leben und etwas zu verändern versuchen. Es gibt gerade einen neuen Schwung in der Gesellschaft, der im Zusammenhang mit dem Umweltschutz entstanden ist, und wenn die Pandemie zu Ende ist, wird diese Bewegung wieder an Fahrt gewinnen. Das reicht aber nicht. Wir müssen den Rahmen für unser Denken über die Zukunft breiter zeichnen.


Die Kräfte, die in der Gesellschaft wirken, sind mittlerweile so stark, dass sie unsere demokratische Zivilgesellschaft sprengen können. Wir können alles, was uns wichtig ist, verlieren: gesundes, friedliches Leben, Freiheit des Denkens, Demokratie, unsere Hochkultur. Die Demokratie und differenziertes, selbstständiges Denken in der Breite der Gesellschaft sind aber die Voraussetzungen für jeglichen geordneten Umbau. Wir müssen uns beeilen. Die Zukunft liegt näher, als wir glauben!


Alan P. Stern ist ein Systemdenker und praktischer Philosoph. Akademisch in naturwissenschaftlichen wie auch in praktisch-wirtschaftlichen Fächern ausgebildet, arbeitete er als Manager und Unternehmensberater.

Im Jahr 2019 erschien sein Buch „Redesigning Civilization; wie erschaffen wir die westliche Zivilisation neu?“


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1 Kommentar

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1 comentário


claus.meyer
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Curtir
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