Glyphosat darf weiterhin in der EU genutzt werden. Deutschland hat durch seine Stimmenthaltung entscheidend dazu beigetragen. Glückwünsche an die Agrar- und Chemielobby.
Weitere 10 Jahre darf das Leben auch in Deutschland systematisch vernichtet werden. Was bedeutet das für Sie und mich eigentlich?
Was ist Glyphosat und warum?
Es gibt zwei Sachen, die Glyphosat besonders machen. Die erste: Es tötet alle Pflanzen, die nicht gentechnisch so verändert wurden, dass sie den Pestizideinsatz überleben. Die zweite: Glyphosat wird so häufig eingesetzt wie kein anderes Pestizid.
Wenn Sie wirklich wissen wollen, in wessen Interesse eine politische Entscheidung getroffen wurde, folgen Sie dem Geld.
Glyphosat ist eine geniale Geschäftsidee: Die Industrie (in diesem konkreten Fall vor allem Monsanto, heute Bayer), die das Pestizid produziert, bietet gleichzeitig das genetisch veränderte, gegen das Pestizid resistente Saatgut. Das Saatgut – vor allem Mais, Soja, Raps, Zuckerrübe, Baumwolle und Luzerne (Futtermittel) – führt dann zum Einsatz von Glyphosat. Dieser wiederum führt mit der Zeit zu steigender Resistenz der natürlichen Pflanzen in der Nähe der Felder, wodurch immer mehr Glyphosat auf die Felder ausgebracht werden muss. Und die Kasse klingelt.
Warum ist Glyphosat gefährlich?
Glyphosat tötet zuerst alles Grüne auf dem Feld, also auch alles, was blüht. Damit haben Insekten nichts zum Essen, was das Nahrungsangebot für Vögel und Fledermäuse einschränkt. Die Natur stirbt zunehmend ab.
Außerdem beweisen immer mehr wissenschaftliche Studien, dass Glyphosat auch den Bienen, Schmetterlingen, Regenwürmern und Käfern direkt schadet. Die Natur stirbt zunehmend ab.
Wie jedes Pestizid, gelangt auch Glyphosat in die Gewässer und sammelt sich im Boden. Die Natur stirbt zunehmend ab.
Die Weltgesundheitsorganisation hat Glyphosat bereits vor acht Jahren als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ eingestuft. Es steht außerdem im Verdacht, das Hormon- und Nervensystem des Menschen negativ zu beeinflussen. Sie bekommen es wahrscheinlich in Ihrem Essen und ich, weil ich in der Nähe eines Feldes wohne. Behauptet die EU nicht, dass Glyphosat ungefährlich ist? Schauen Sie genauer hin: Wer finanziert die entscheidenden Studien, die zu dieser Behauptung führen?
Besteht das Glyphosat-Problem auch in Deutschland?
Der massive Einsatz von Glyphosat schadet der Artenvielfalt in der ganzen Welt. Wenn der Regenwald in Brasilien gerodet wird, wird auf dieser Fläche wahrscheinlich glyphosatresistente Soja angebaut. Aber auch bei uns wird eine Menge Glyphosat verkauft: jährlich ca. 4.100 Tonnen. Wo landet es? Vor allem auf dem Acker. Auch bei uns wird Mais, Soja, Raps, Zuckerrübe und Luzerne angebaut. In vielen Betrieben wird das Feld außerdem unmittelbar vor der Aussaat mit Glyphosat unkrautfrei gespritzt. Auch im Obstbau, im Gartenbau, beim Anbau von Weihnachtsbäumen und auf industriell genutzten Flächen wird Glyphosat eingesetzt. Sie können es im Baumarkt kaufen.
Sind wir nun machtlos gegenüber Glyphosat?
Der Einsatz in der Landwirtschaft und im Obst- und Gartenbau ist in der EU nach der gestrigen Entscheidung der EU-Kommission weiterhin legal. Das können wir direkt nicht mehr ändern. Aber in einem demokratischen Staat sind wir nie machtlos! Vielleicht manchmal verzweifelt, vielleicht ab und an genervt, aber nie machtlos.
Das Umweltinstitut München e.V. plant zum Beispiel, gegen die Nutzung von chemisch-synthetischen Pestiziden in deutschen Naturschutzgebieten vorzugehen. Die Naturschutzgebiete in Deutschland erstrecken sich über 6,5 Prozent der Landesfläche. Das würde schon etwas bringen. Außerdem wäre das ein wichtiger Sieg der Zivilgesellschaft über die Agrarlobby. Helfen Sie dem Umweltinstitut mit einer Spende bei diesem Kampf!
Sie können auch den Kampf der "Wir haben es satt!"–Bewegung für ökonomisch gerechte und ökologisch gesunde bäurliche Landwirtschaft und gegen das Lobby der industriellen Produktion auf dem Ackerland unterstützen. Sie ist auf unsere Spenden angewiesen; und auf das Mitdemonstrieren. (In unserer Rubrik "Initiativen für eine bessere Welt" informieren wir immer aktuell über die Termine.)
Die Zivilgesellschaft kann immer noch gegen die Zerstörung der Biosphäre vorgehen. Und wir können uns immer noch für Bio-Produkte entscheiden.
Und vielleicht noch wichtiger: Kaufen Sie nur Bio-Produkte. Sie werden ohne Glyphosat hergestellt. Sie helfen dadurch der „unsichtbaren Hand des Marktes“, die Nutzung der Pestizide zurückzudrängen. Zusätzlich werden Sie und Ihre Kinder gesünder.
Quo vadis Deutschland mit Glyphosat?
Ich wohne in einem Dorf, umgeben von Acker und Wald. Schön? Es war mal! Ich gehe durch Felder spazieren, auf denen nur Nutzpflanzen wachsen. Sonst ist die Erde kahl. Im Wald werden die leeren Flächen, auf denen die Bäume gestorben sind, immer größer. Ganz abgesehen davon, dass es eigentlich gar keine Wälder sind – es sind Baumplantagen. Wenn ich im Garten eine Biene oder einen Marienkäfer sehe, dann ist das ein Ereignis. Wie anders war die Welt meiner Kindheit!
In welcher Welt wollen Sie leben? In einer Welt aus Beton mit Rasen drumherum? Wollen Sie billig gekaufte, künstlich erzeugte Lebensmittel essen und der Rest der natürlichen Welt soll selbst schauen, wie er zurechtkommt?
Wir können keine lebenswerte und friedliche Welt morgen haben, ohne heute unseren Konsum zu ändern.
Die Welt wird sich in den kommenden 20 Jahren grundsätzlich verändern, wird nicht wiederzuerkennen sein. „Weiter so“ ist deswegen keine Strategie. Mich zu ducken und zu hoffen, dass die Veränderungen irgendwie an mir vorbeiziehen, wird nicht funktionieren. Das wird nur dazu führen, dass die Anpassungen zum Schluss nur noch schmerzlicher und durchschlagender werden. Die bessere Lösung ist, Einfluss zu nehmen. Solange die Bedingungen dafür noch gut sind.
Andreas Sternowski ist Verleger im Continentia Verlag, wo er Bücher über den Wandel zur Nachhaltigkeit und Verantwortung publiziert. Seine Vision ist eine Gesellschaft, die auf gerechtem und bereicherndem Miteinander und auf Harmonie mit der Natur beruht.
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