Bioneers Conference – Bericht 3
Aktualisiert: 6. Okt. 2022
An der Bioneers-Konferenz „Beyond the Great Unraveling — Weaving the World Anew“ (Über die große Entwirrung hinaus – Die Welt neu ordnen) wurde auch über die Rechte der Natur gesprochen. Hier mein letzter Bericht.

Besitzt die Natur Rechte?
Im europäischen Rechtsverständnis haben die Menschen Rechte, aber nicht die Natur. Unternehmen sind Subjekte des Rechts, nicht aber die Flüsse, die von diesen Unternehmen vergiftet werden. Unser Recht sieht die Natur nämlich als etwas, was nicht lebt, als tot, als Dinge.
Diese Überzeugung liegt bereits seit dem antiken Griechenland im Kern unseres westlichen Denkens und die Aussage der jüdischen Bibel „Macht euch die Erde untertan“ hat sie noch verstärkt. Francis Bacon schrieb einmal, dass es das Ziel der menschlichen Zivilisation ist, die Natur auf einer Folterbank zu quälen, um ihre Geheimnisse zu entlocken. In unseren Gesetzbüchern werden die Wälder und die Tiere, die Erde und die Meere, die Luft und die Flüsse als Ressourcen betrachtet. Solange wir das nicht ändern, werden wir in unserem Kampf um die Rettung der Natur nicht erfolgreich, sagten Mari Margil und Thomas Linzey vom Center for Democratic and Environmental Rights.
Trotz allen Gesetzen zum Umweltschutz, hat sich in den letzten Jahrzehnten die Lage der Natur stets verschlechtert. Warum?
Und das ist die Antwort: Das Recht versucht lediglich die Benutzung der Natur zu regulieren. Es bestimmt z. B., wie viel verschmutzt oder zerstört werden darf. Der CO2-Ausstoß, die Zerstörung der Böden in der konventionellen Landwirtschaft, die Vernichtung von Lebensräumen der Tiere und Pflanzen sind legal. Der Grund dafür ist, dass der derzeitige Umweltschutz sekundär ist: Er wird aus den Rechten der Menschen abgeleitet. Deswegen müssen heute erst Menschen zu Schaden kommen und dann beweisen, dass dieser Schaden aufgrund der Naturverschmutzung zustande gekommen ist, um vor Gericht zu gehen.
Die Natur muss in unserem Recht den Menschen und den Unternehmen gleichgestellt werden.
Das würde sich diametral ändern, wenn die Natur eigene Rechte bekommen hätte. Deswegen kämpft das Zentrum darum, dass die Rechte der Natur auf eine höhere Stufe gehoben werden. Es geht um die Anerkennung von Schutzrechten für die Natur, die in ihrer Art den Zivilrechten der Menschen entsprechen. Dies ist ein Paradigmenwechsel. „Als ich vor fünfzehn Jahren darüber gesprochen habe“, sagte Thomas Linzey, „haben Juristen den Saal verlassen, weil sie dachten, dass ich verrückt bin.“
Seitdem hat sich allerdings viel verändert. Mehrere autonome Gebiete in den USA, die von den indigenen Völkern verwaltet werden, haben diesen Paradigmenwechsel vollzogen. Diese Völker sahen die Natur schon immer als etwas Lebendes, als Schwestern und Brüder, als Mutter. Auch zunehmend viele Kommunen folgen diesem Beispiel. Sie bringen sich damit rechtlich gesehen der Industrie oder den Landesbehörden gegenüber in eine viel stärkere Position.
Wir können nicht mehr so tun, als ob wir die Natur nach dem herkömmlichen Recht schützen könnten.
Einen großen Meilenstein in diesem Kampf hat im Jahr 2008 Ecuador gesetzt. Die Rechte der Natur wurden dort in das Grundgesetz aufgenommen. Der Artikel 7 besagt, dass die Natur Rechte besitzt, darunter das Recht zu existieren, wiederhergestellt zu werden und sich zu entwickeln. Weil jetzt konkrete Fälle bis zum Obersten Gericht des Landes vorgedrungen sind, hat das Gericht klargestellt, dass es die grundsätzliche Pflicht des Staates ist, das zu respektieren und durchzusetzen, was in der Verfassung garantiert und festgelegt ist. Daraus folgt, dass die Regierung eine gestalterische Pflicht zum Naturschutz hat. Sie muss dafür sorgen, dass die Rechte der Natur eingehalten werden. Die Entscheidungen des Staates müssen mit den Rechten der Natur in Einklang stehen. Das führte dazu, dass das Parlament sich gerade alle relevanten Gesetze anschaut, um zu prüfen, ob sie nicht gegen die Rechte der Natur verstoßen.
Wenn Ihr denkt, dass Deutschland beim Naturschutz ganz vorne ist, muss ich Euch enttäuschen.
Ähnlich starke Rechte der Natur haben danach Bolivien und Uganda etabliert. In Kolumbien, Indien, Bangladesch haben einzelne Ökosysteme ihre eigenen Rechte bekommen. In Philippinen, Australien, Nepal und Schweden wird an solchen Initiativen gearbeitet. „Es ist wirklich ein Wendepunkt“, sagte Mari Margil. Und wo ist Deutschland?
Es ist nicht genug, wenn wir sagen, dass die Natur Rechte hat. Man muss diese Rechte explizit in unserem Rechtsystem etablieren. Man muss sie kodifizieren. Erst dann werden wir in unserem Kampf um den Naturschutz wirklich erfolgreich.