Auf der Suche nach Frieden
- Alan P. Stern
- 14. Aug.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Aug.
Morgen treffen sich die Präsidenten der USA und der Russischen Föderation, um über ein mögliches Ende des Krieges zu sprechen – jenes Konflikts, der zwischen den beiden Atomgroßmächten als Stellvertreterkrieg in der Ukraine ausgetragen wird. Wird das Resultat Frieden sein?
Wir wissen es nicht. Ich lade Sie dennoch ein, gemeinsam mit mir über die Dynamiken des globalen politischen und ökonomischen Systems nachzudenken – denn letztlich werden diese über Krieg oder Frieden entscheiden, unabhängig vom unmittelbaren Ausgang des Gespräches zwischen den beiden Herren.

Das kann einfach nicht gut ausgehen
Bevor wir in die Logik des Systemdenkens eintauchen, möchte ich eine grundlegende Wahrheit voranstellen: Krieg ist etwas Entsetzliches – er muss verhindert und darf niemals unterstützt werden. In den 1980er-Jahren war das in Deutschland eine Selbstverständlichkeit. Auch in den 1990er-Jahren hätte ich es noch für überflüssig gehalten, diese Aussage zu machen.
Doch seither haben sich die Dinge verändert. Immer häufiger beteiligte sich unsere Regierung an Kriegen – zunächst mit Worten, später auch militärisch. Heute erlebe ich eine auf den Kopf gestellte Welt: Es wird zur Eskalation des Krieges in der Ukraine aufgerufen, militärische Angriffe auf andere Staaten werden als Maßnahmen zur Friedenserhaltung deklariert, und Deutschland unterstützt mit Waffen einen Völkermord.
Darum lasst uns erinnern: Von deutschem Boden darf nur Frieden ausgehen (Artikel 2 des Zwei-plus-Vier-Vertrags). Unser Grundgesetz erlaubt militärische Handlungen nur zur Verteidigung unseres Landes – zwischen Oder und Eifel, nicht am Hindukusch oder in Serbien. Leider scheint das einst unerschütterliche „Nie wieder Krieg“ heute nur noch ein abgeschlossenes Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte zu sein.
Nun zurück zu der Frage, warum die Verhandlungen zwischen USA und Russland nicht gut ausgehen können. Der Grund ist, dass die Ziele der beiden Regierungen miteinander nicht vereinbar sind.
Russland strebt Sicherheit und Unabhängigkeit innerhalb einer multilateralen Weltordnung an und wünscht sich dauerhaften Frieden an seinen zahlreichen Grenzen. Das sagen seine Regierungen seit 35 Jahren – und sie richten ihr Handeln entsprechend aus. Die Vereinigten Staaten hingegen verfolgen vorrangig das Ziel, ihre wirtschaftliche, politische und militärische Vormachtstellung zu sichern. Sie verhalten sich entsprechend und äußern dies seit dem Ende der Sowjetunion auch. Sie sehen ihre Hegemonie als Voraussetzung für die ungehinderte Vermehrung des Spekulationskapitals ihrer Finanzinvestoren sowie für die Profite der dort ansässigen globalen Konzerne. Politische Unabhängigkeit und wirtschaftliche Souveränität einzelner Staaten sowie eine multipolare Weltordnung stehen dem im Weg.
Demzufolge wird in Alaska keine dauerhafte Lösung der Konfrontation zwischen NATO und Russland gefunden werden können – selbst wenn der Krieg (hoffentlich) bald endet.
Warum wollen wir keine multilaterale Weltordnung?
Der hegemoniale Anspruch der USA ist weder eine Laune einzelner Präsidenten noch eine fehlgeleitete Schlussfolgerung aus der Zeit des Kalten Krieges. Er ist eine direkte Folge des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Lassen Sie uns das Schritt für Schritt durchdenken.
Unser ökonomisches System beruht darauf, Geld – früher hätte man noch „Kapital“ gesagt – einzusetzen, um seinen Eigentümern Gewinne, möglichst hohe Gewinne, zu verschaffen. Der Wettbewerb zwingt diese Eigentümer zu einem Handeln, das mit der Zeit zwangsläufig zu Oligopolen und Monopolen führt. Da Macht stets dem Reichtum folgt – wie uns die Geschichte eindrucksvoll lehrt –, führt die Konzentration des Reichtums unweigerlich zur Konzentration der Macht. Damit aber wird das demokratische Ideal, die Macht der Bürger, untergraben.
Seit den 1970er-Jahren hat die neoliberale Ideologie die Entstehung globaler Märkte gefördert, da diese sowohl eine kostengünstige Produktion ermöglichen als auch neue Spielräume für Finanzspekulation eröffnen. Gleichzeitig führte sie zur Verschuldung vieler armer, aber ressourcenreicher Länder und machte diese abhängig von globalen Konzernen und westlichen Finanziers. Daraus erwuchs ein verstärkter politischer Hegemonieanspruch der USA.
Dieses Streben nach Vormachtstellung – wirtschaftlich wie politisch – ist keineswegs neu und wurde auch nicht in den USA erfunden. Es war das Ziel aller Kolonialmächte. So haben sich Überheblichkeit und die Selbstverständlichkeit, mit der schwächere Länder und ihre Völker unterdrückt werden, tief im Selbstverständnis des Westens verankert. In Europa zeigt sich dies eher verdeckt, in den USA hingegen ganz offen.
Gerade deshalb führt uns die Analyse der US-Politik oft schneller zum Verständnis der zugrunde liegenden politischen und wirtschaftlichen Dynamiken als ein Blick auf das Handeln der deutschen oder britischen Regierung.
Wie wird eine friedliche Weltordnung geboren?
Eine auf Frieden und Zusammenarbeit gegründete Koexistenz der Völker kann nur in einer Weltordnung entstehen, die als Gleichgewicht der Interessen, Rechte und Pflichten aller Staaten funktioniert. Voraussetzung dafür ist, die Abhängigkeit der einzelnen Volkswirtschaften vom globalen Kapital zu beenden. Erst dann hätten Regierungen die Möglichkeit, nicht länger (versteckt) die Interessen globaler Investoren zu vertreten, sondern tatsächlich ihren Bevölkerungen zu dienen. (Dies ist zwar für die neoliberalen Politiker und Ökonomen undenkbar, aber – wie ich es in meinem Buch „Redesigning Civilization“ beschrieben habe – möglich.)
Diese Chance bliebe jedoch fragil, solange sich Finanz- und Produktionsmittel weiterhin in den Händen einer immer kleiner werdenden Zahl von Menschen konzentrieren. Der Staat kann nur dann wirklich zum Instrument der Gesellschaft werden, wenn die Wirtschaft demokratisiert wird. Dazu bedarf es eines grundlegend anderen ökonomischen Systems: Diejenigen, die Güter und Dienstleistungen erzeugen, müssen selbst entscheiden, wie der erwirtschaftete Überschuss verwendet wird. Das setzt voraus, dass sie Eigentümer ihrer Unternehmen sind.
Würde jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter eine „Aktie“ und damit eine Stimme ihres bzw. seines Unternehmens besitzen, entstünde ein Wirtschaftssystem, das weit besser den Menschen und der Gesellschaft dient.
Ein solches Modell ließe sich nur mit einem basisdemokratischen politischen System – einer Demokratie von unten – verwirklichen. Eine konsequente Demokratie ist somit das, was den Kapitalismus ablösen muss. Das Gleichgewicht auf nationaler Ebene könnte dann zum Fundament für ein globales Gleichgewicht werden – und zugleich für eine Balance zwischen Zivilisation und Natur sorgen.
Bessere Zukunft wird nicht auf der politischen Bühne entstehen
Wir täten gut daran, uns innerlich von dem politischen Spektakel zu distanzieren, das uns täglich in den Medien präsentiert wird. Dadurch bekommen wir eine klarere Sicht auf die Dinge: Die Dynamiken innerhalb der derzeitigen globalen und nationalen Systeme führen unausweichlich zu mehr Ungleichheit, mehr Konflikt und mehr Manipulation. Etwas verkürzt gesagt: Der Einfluss von US-Milliardären verschiebt die Welt in eine autoritäre und friedensfeindliche Richtung.
Warum? Weil weniger Demokratie und eingeschränkte persönliche Freiheit – kombiniert mit Kriegsdrohungen – es den Bürgern erschweren, für ihre Interessen und ihren Wohlstand einzustehen. Mehr Wohlstand für die Mitarbeiter bedeutet im Kapitalismus weniger Gewinn für die Milliardäre.
Wer Frieden und Wohlstand will, muss sich aktiv dafür einsetzen. Auf diesem Weg gibt es weder bequeme Abkürzungen noch einfache Lösungen.
Alan P. Stern ist ein Systemdenker und praktischer Philosoph. Akademisch in naturwissenschaftlichen wie auch in praktisch-wirtschaftlichen Fächern ausgebildet, arbeitete er als Manager und Unternehmensberater.
Im Jahr 2019 erschien sein Buch „Redesigning Civilization; wie erschaffen wir die westliche Zivilisation neu?“
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