Sprache ist gleichzeitig Kultur. Jede Kultur ist untrennbar mit ihrer Sprache verwoben und jede Sprache entwickelt sich unvermeidlich zu einer Kultur. Wenn die Vielfalt der Sprachen und Kulturen schrumpft, ist das eine Verarmung der menschlichen Zivilisation.

Der mächtige Bankert westlicher Kultur
Wussten Sie, dass es auf unserer geplagten Erde immer noch etwa 7.000 Sprachen gibt? Viele von ihnen werden nur noch von einer Handvoll Älterer gesprochen. Sie verschwinden in dem Maße, in dem indigene Völker und ihre Lebensräume vernichtet werden.
Diese Sprachen enthalten Wissen über die Natur und den Menschen. Diese Kulturen beherbergen Erfahrungen, Metaphern und Geschichten, die mit ihrer Ausrottung verloren gehen. So wie wir den Reichtum der Natur unwiderruflich zerstören, so töten wir auch leichtsinnig den Reichtum menschlicher Kultur.
Wir geben den wahren Reichtum – die Natur, die Kulturen – gegen Geld preis und nennen es Fortschritt. Dieser falsche Reichtum ist ein humaner Rückschritt und wird uns bald sehr wehtun.
Das alles geschieht im Namen einer Zivilisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Natur in einen Lieferanten innerhalb einer gigantischen Lieferkette zu verwandeln, an deren Ende Bequemlichkeit, Vergnügen und vor allem Geld stehen. Sie transformiert unseren Planeten in eine Asset-Management-Unternehmung mit angeschlossener Infrastruktur und alles umspannender Fabrik, die das Leben in Güter verwandelt.
Die Wurzel dieser Entwicklung ist eine Überzeugung, die ein Kind unserer westlichen Kultur ist: dass der Mensch über der Natur steht und sie nach Belieben verbrauchen kann. Dabei wird dieser Mensch als ein denkender und begehrender Körper betrachtet. Sein Lebensziel ist, möglichst alle Bedürfnisse und Wünsche dieses Körpers zu befriedigen. Beide Überzeugungen sind nicht nur nicht zwingend, sie sind im Konzert der Kulturen Randinstrumente: Pauken, die aber extrem laut sein können. Auch die westliche Kultur ist eigentlich ein ganzes Sinfonieorchester, was ihr aber in der Praxis den Ton angibt, sind die Schlaginstrumente der Macht und des Geldes.
Imperialismus entspringt der Überheblichkeit
Unserer westlichen Kultur ist eine unglaubliche Überheblichkeit zu eigen, die zur Eroberung und Unterwerfung der gesamten Erde, all ihrer Natur und all ihrer Kulturen samt ihren Sprachen führt. Deswegen bezeichne ich nicht nur die Unterordnung anderer Länder und Völker, sondern auch die Zerstörung der Vielfalt und der Eigenständigkeit der Kulturen als Imperialismus.
Die westliche Kultur war ein reicher Boden, auf dem leider die Unkräuter der Arroganz und der Gier derart wuchern, dass für die Vielfalt des Lebens und der Menschlichkeit zu wenig Licht bleibt.
Dieser Imperialismus ist fast schon am Ziel seiner Mission. Nach der Reduktion der Biosphäre zu einem gemanagten Lieferanten und des Reichtums der Kulturen zum angelsächsischen Utilitarismus wird sein Verarmungswerk bald vollendet sein und er wird inmitten seiner natürlichen und kulturellen Wüste sterben.
Wir können nur hoffen, dass dies bald geschieht, sodass die verbliebene Natur und die geplagten Kulturen (auch unsere eigene!) noch genug vitale Kraft übrighaben, um mit der Zivilisation von Neuem anzufangen.
Andreas Sternowski ist Verleger im Continentia Verlag, wo er Bücher über den Wandel zur Nachhaltigkeit und Verantwortung publiziert. Seine Vision ist eine Gesellschaft, die auf gerechtem und bereicherndem Miteinander und auf Harmonie mit der Natur beruht.
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