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Der Mensch tötet die Zeit, bis die Zeit ihn tötet

Aktualisiert: 30. Dez. 2022

Wir leben für die Welt da draußen. Was wir dabei unwiderruflich verlieren, ist unsere Zeit – den wertvollsten Schatz, der uns gegeben wurde.


Wir zitieren weiter aus dem Buch "Der innere Reichtum, Die Weisheit hinter Ayurveda, Yoga und Vedanta" von Swami Chidananda. Sein Vortrag trug den Titel "Unser spirituelles Erbe" und stammt aus dem zweiten Buchtteil mit der Überschrift "Glück, Liebe, Wahrheit". (Den Anfang finden Sie hier.)


Swami Chidananda vertieft in Meditation
Swami Chidananda vertieft in Meditation (Quelle: Divine Life Society)

Beruf, Familie, Golf. Und dann?


Wenn man das weltliche Leben des menschlichen Individuums als eine einmalige Episode betrachtet und von dem letztendlichen Prozess der Rückkehr zur Quelle trennt, dann verliert ein solches Leben seinen Sinn. Der Mensch kommt hilflos in die Welt, wächst nach dem Muster der Gesellschaft auf, wird ausgebildet, erlernt einen Beruf und fängt an, Geld zu verdienen, damit er sich ernähren und kleiden kann.


Dann nimmt er (wenn er ein Mann ist), wie schon sein Vater und Großvater, eine Frau, hat Kinder, ein Haus, ein Auto und eine Rente. Er raucht ein wenig, trinkt ein wenig, spielt ein wenig Karten, hat eine Blinddarmentzündung und Zahnprobleme, bekommt Arzt- und Versicherungsrechnungen und erlebt seine kleinen Sorgen, Lieben und Abneigungen. Dann wird er alt und weiß nicht mehr, was er tun soll, sitzt vor dem Fernseher, tratscht, puttet im Garten oder spielt Golf. Wenn man dieses Leben für sich allein betrachtet, ist es einfach ein Bemühen, den Körper zu ernähren und zu kleiden und sich zu vergnügen.


Wagen Sie die Vogelperspektive auf Ihr Leben. Wofür verwenden Sie Ihre Fähigkeiten und Ihre Zeit?

Der Mensch tötet die Zeit, bis die Zeit ihn tötet. Das ist alles. Zum Schluss bekommt er einen kleinen Grabstein auf einem Friedhof mit ein paar in Marmor gemeißelten Worten und vielleicht ein paar Zeilen in der Zeitung. Aber was hat er eigentlich erreicht? Was hat das alles zu bedeuten? Man schuftet, nutzt andere aus, betrügt sie womöglich, nur um Geld für Dinge zu bekommen. Zu welchem Zweck?


Gibt es in diesem ganzen Universum irgendetwas, das man mitnehmen kann, wenn man geht? Aus der Perspektive betrachtet: Man wird geboren und man stirbt, und das Leben ist ein langsamer Prozess, der allmählich zum Augenblick des letzten Atemzuges führt. Der moderne Mensch sieht den spirituellen Idealismus als unvereinbar mit seinem Leben und nur für Visionäre oder Mystiker gedacht. Seine kostbaren Fähigkeiten der Rationalität und Intelligenz werden nie zu ihrer wahren Funktion gebracht, die darin besteht, das Warum und das Wozu des Lebens zu hinterfragen. Die letztendliche Schlussfolgerung könnte sein, dass das Leben sinnlos ist.


Wir haben mit Absicht einen wichtigen Teil unserer Menschlichkeit aus unserer Kultur verbannt.

Es war einmal ein gieriger Kaufmann in Südindien, der später zu einem großen Philosophen wurde, nachdem ihm die Augen durch eine Reihe eigenartiger Umstände geöffnet wurden. Er fand heraus, dass der Mensch, wenn er schließlich stirbt, nicht einmal das gebrochene Ende einer rostigen Nadel mitnehmen kann. Nur wenn man die Dinge im Kontext der unsichtbaren und unbekannten Dimension betrachtet, beginnt diese weltliche Existenz einen Sinn zu haben. Das Leben muss daher im Zusammenhang mit den großen Entdeckungen betrachtet werden, die die alten Seher in Bezug auf das letztendliche Geheimnis des Menschen gemacht haben.


Zwei große universelle Gesetze bestimmen das Leben des Menschen auf der Erde. Das erste Gesetz besagt, dass im Inneren des menschlichen Individuums latente Vollkommenheit liegt – die schlummernde göttliche Seele. Das Leben auf der Erde ist ein Prozess des allmählichen Heranwachens zu einem Zustand, in dem die schlummernde Göttlichkeit erwacht und die latente Vollkommenheit manifest wird. Wenn das in einem Menschen Realität wird – also kein bloßes Konzept bleibt –, ist sein Leben grundsätzlich verwandelt: Es ist nicht mehr durch unerfüllte Wünsche zersplittert und es strahlt mit spiritueller Vollendung.


In diesem Zustand ist der Mensch vollständig erfüllt. Er genügt sich selbst, bleibt in perfekter Freude verankert und braucht nichts mehr. Das ist das höchste erreichbare Glück, das in der Vollkommenheit des Selbst gefunden wird. Unser Leben ist ein Prozess der Entfaltung auf diese Vollkommenheit zu. Jede und jeder von uns ist hierhergekommen, um diesen Zustand zu erreichen. Das ist das grundlegende Gesetz der inneren Dimension des Menschen.