Warum gibt es Leid auf der Welt?
- Alan P. Stern
- 13. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Religion diente dem Menschen mit der Erklärung der Welt, bis er anfing, unbequeme Fragen zu stellen. Das Resultat war Wissenschaft und Materialismus. Weil die Erklärungen der Religion der Erfahrung des Menschen widersprachen, schüttete er leichtfertigt die Hälfte seiner Natur mit dem Bad aus.

An dieser Frage ist die Religion gescheitert
An dieser Frage ist die Religion im Westen gescheitert. Wenn man die Welt verstehen möchte, muss man die Frage beantworten. Warum gibt es Leid, warum das Böse, warum Ungerechtigkeit, warum Krankheit und Tod? Auf diese Fragen hatten wir im Westen nie eine Antwort gefunden. Deswegen wurden wir zu Materialisten, zu Hedonisten, manche sogar zu Zynikern. Der Grund war, dass wir immer zwei grundsätzliche Fehler im Denken machten: Wir dachten linear und wir dachten egozentrisch.
Das lineare Denken führt in die Falle des Extrapolierens: Wenn wir weiter oder größer denken, verlängern oder vergrößern wir einfach alle Elemente unseres Gedankenkonstrukts. Daraus wurde ein Gott (in einer patriarchalischen Gesellschaft unhinterfragt ein Mann), der wie wir ist, nur größer, mächtiger, besser, weiser …
Und wie sieht die ideale Welt aus? Wir denken uns eine Welt aus, die uns am angenehmsten wäre, und verlängern sie in die Ewigkeit. So ist der Himmel der christlichen Religion entstanden. Aber auch unsere individuellen Vorstellungen, wie wir leben wollen, wie die Welt unserer Sehnsüchte aussieht: als Steigerung dessen, was uns angenehm erscheint. Die Folge sind Millionen von angeblich idealen Welten.
Weil beide Annahmen von Grund auf falsch und unlogisch sind, mussten sie zu falschen und unlogischen Antworten führen. Deswegen wandten wir uns gänzlich den logischen Antworten der Naturwissenschaften und des Geldes zu und wurden zu Materialisten und Hedonisten.
Was ist Gott?
Gott ist aber kein besserer Mensch, sondern eine grundsätzlich andere Realität, eine andere Qualität dessen, was existiert. Es (Gott) steuert die Welt nicht. Es ist die Ursache der Regeln, die die Schöpfung begründen.
Die Schöpfung ist nicht in erster Linie Materie und Energie. Sie ist vor allem ein Regelwerk – eine Idee; wenn Sie so wollen, ein Gedanke Gottes. Wir fragen nach Beweisen und Gott antwortet mit einem sanften Lächeln im Gesicht: Schaut euch doch in meiner Schöpfung um. Ist eure Mathematik euch nicht Beweis genug? Spricht das Leben nicht für sich? Könnt ihr Liebe anders erklären?
Um allerdings die objektive Realität zu sehen, müsst ihr aus der Subjektivität eures Ich-Bewusstseins herauswachsen. Um die objektive Wahrheit zu untersuchen, müsst ihr euer Bewusstsein von den Objekten der Sinnesorgane zurückziehen und sie nach innen richten. Man kann die Radiowellen nicht mit einem Hammer abklopfen. Man kann das Ökosystem nicht dadurch begreifen, dass man einen Fisch verspeist.
Das Ziel der Schöpfung ist nicht, die Wünsche von Susanne Meier oder von Donald Trump (Gott bewahre!) zu erfüllen, sondern sie aus der Gefangenschaft ihres Geistes, ihres Egos, ihrer Begehrlichkeiten, ihrer fixen Ideen, ihrer Ignoranz in die Freiheit des Reinen Bewusstseins zu führen.
Wir leben weder für die Annehmlichkeiten unseres Körpers noch für die Sehnsüchte unseres Geistes. Das eigentliche Ziel liegt nicht in dem äußeren, sondern in dem inneren Universum.
Wenn uns etwas in unserem Leben widerfährt, ist das die Wirkung unserer eigenen Handlungen, unseres eigenen Denkens und Wollens in der Vergangenheit. Außerdem ist es eine neue Gelegenheit, ein Stück Wahrheit zu erkennen, einen Schritt nach vorne zu machen. Dass das meistens das genaue Gegenteil dessen ist, was wir uns wünschen, liegt auf der Hand: Schließlich muss es uns gegen die Sturheit unseres Egos und durch die Betonwand seiner Erwartungen führen.
Was ist also die Antwort auf die Frage, warum es Leid auf der Welt gibt? Die Welt ist kein Mittel, um unseren Körper oder unseren Geist zu befriedigen, sondern unsere Seele.
Was ist die Welt?
Die Welt ist schwer zu verstehen und zu akzeptieren nur, wenn wir ihr mit unserem Denken und Fühlen, mit den Organen des Geistes begegnen. Diese bringen einfach die Widersprüche und die Komplexität mit sich. Die Schöpfung kann man wirklich verstehen nur mit der Liebe. Sie ist das einzige Hilfsmittel, das groß genug ist, um sie zu erfassen. Der Wahrheit, Gott, kann man sich nur mit dem Herzen nähern, wenn es breit wie ein Ozean wird.
Die Welt ist zusätzlich schwer zu begreifen, weil sie nicht fertig ist. Wenn wir ihr mit der Erwartung der Perfektion begegnen, müssen wir enttäuscht werden. Wenn Sie eine Baustelle betreten, werden Sie auch Schmutz und Unordnung vorfinden. Es ist wirklichkeitsfremd etwas anderes zu erwarten, utopisch. Wenn man nur auf das angehäufte Baumaterial schaut, wird man nie den Plan des Gebäudes erkennen. Unser Leben, was wir tun, ist ein Teil des Schöpfungsprozesses. Wir schöpfen die Welt mit. Die Antwort liegt nicht dort, wo wir sie suchen. Sie ist in der Reichweite, näher als das. Unser eigenes Bewusstsein ist die Antwort.
Menschen kann man nicht ändern. Allerdings kann sich jeder Mensch, wenn er es nur will, selbst, aus eigener Kraft entwickeln.
Ich schulde Ihnen noch ein kleines Geheimnis, aber Sie müssen versprechen, es für sich zu behalten … Man kann die Welt nicht verbessern. Der Grund, warum wir es trotzdem versuchen sollen, ist, dass dies uns selbst besser macht. Das ist die einzige Verbesserung, die diese Welt kennt. Dies muss allerdings ein Geheimnis bleiben, weil, wenn wir der Welt und den anderen helfen würden mit dem Ziel, uns selbst etwas Gutes zu tun, wir egoistisch und damit unsere Bemühungen umsonst wären.
Die Welt kann übrigens auch deshalb gar nicht verbessert werden, weil sie bereits perfekt ist. Sie ist perfekt für den Zweck, jeder und jedem von uns Gelegenheiten zu bieten, uns weiterzuentwickeln, also als Mensch zu wachsen.
Alan P. Stern ist ein Systemdenker und praktischer Philosoph. Akademisch in naturwissenschaftlichen wie auch in praktisch-wirtschaftlichen Fächern ausgebildet, arbeitete er als Manager und Unternehmensberater.
Im Jahr 2019 erschien sein Buch „Redesigning Civilization; wie erschaffen wir die westliche Zivilisation neu?“
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